Das Objekt und der Kunstgarten
Bild 1
Diese Examensarbeit in Freier Kunst ist der kontinuierliche Fortsatz von Volker Andresens bisheriger Arbeit, der über seine Objekte sagt, er verstehe sie als skulpturale Arbeiten, deren Natureinfluß unschwer erkennbar ist, die aber doch keine Natur sein wollen. Man mag sie der Land Art zuordnen, jedoch "meine Arbeiten funktionieren als Modelle von Landschaft und berufen sich nicht dogmatisch auf archaische Werkstoffe." Bild 2
Bild 3 Im Vorfeld des Kunststudiums lag für Volker Andresen eine eher praktische Ausbildung, die die Nähe zu Landschaften und Gartenanlagen herstellt. Gleichwohl brauchte er nicht die Hochschule zu wechseln, sondern lediglich den Fachbereich, um seiner Intention von Natur und Kunst nachgehen zu können. Diese Auseinandersetzung war in Kassel in vielfältiger Weise schon lebendig und hat bis heute nichts an internationaler Aktualität verloren.
Historische Gartenanlagen bieten Stoff zur Thematisierung, und an Paradigmen zeitgenössischer Kunst fehlt es nicht. Immer wieder haben Künstler der documenta auf die Landschaftsarchitektur reagiert und keinen unerheblichen Einfluß auf die Land Art als Kunststil unserer Jahre gehabt. So hat zum Beispiel Ian Hamilton Finlay mit seinem Objekt A View to the Temple (Ein Blick auf den Tempel) zur documenta 1987 in einer herrschaftlichen Parkanlage (Karlsaue), zur allgemeinen Irritation des Publikums eine historische Dimension hergestellt. Sie steht gewissermaßen einer anderen Arbeit der documenta 8 diametral gegenüber, der von Bertrand Lavier am Entenanger, die er auf einem kleinen Platz in der Altstadt Kassels schuf. Eine tennisplatzähnliche Skulptur aus Erde, Rasen und weißen Markierungslinien. Beide Künstler haben mit den Mitteln der gestalteten Landschaft Kunstobjekte erstellt, die ganz verschiedene Aspekte zum Ausdruck bringen: Geschichtliche Aufklärung der eine und Spielvergnügen mit heutigen gesellschaftlichen Fragestellungen der andere. Inhaltlich völlig verschieden, haben sie jedoch die raumgreifende Landschaftsarchitektur im Maßstab eins zu eins gemeinsam, ein typisches Merkmal der Land Art, nicht reproduzierbar und daher nicht marktfähig für den Kunsthandel. Bild 4
Die sehr großen landschaftlichen Inszenierungen von Richard Long, die bis in die Himalayas gehen, stimmen Volker Andresen jedoch kritisch und nachdenklich. Es erscheint ihm als Widerspruch, wenn Künstler einerseits die Unabhängigkeit von Handel und Museum anstreben und Werke schaffen, die nur im Zusammenhang mit der Natur ihre tiefere Bedeutung erfahren, andererseits diese dann doch ihres auratischen Umfeldes entfremden und im Museum ausstellen.
"Meine Arbeiten funktionieren als Modelle von Landschaft und berufen sich nicht dogmatisch auf archaische Werkstoffe", äußert er sich grundsätzlich und verweist auf seine artifiziellen Objekte, die auch künstliche Materialien nicht verschmähen. In dieser konsequenten Position fordern sie den offenkundigen Widerspruch heraus und zeigen ihre Dialektik von Kunst und Natur. Die Verwendung von Kunststoffrasen, gefärbtem Kies sind - über Beton hinaus - Materialien, die Natur imitieren und stellen den romantischen philosophischen Satz in Frage, wonach der Künstler nicht nach der Natur arbeiten solle, sondern wie die Natur. Aber das hatte wohl Kant so nicht gemeint, sondern eher im übertragenen Sinne, zeigt aber doch, daß die künstlerische Tätigkeit sich sehr von idealisierter Verherrlichung fernhält und analytische, intellektuelle Formen annimmt. Volker Andresen ist in diesem Sinne ein Beobachter der Natur und dies am liebsten von "oben herab". Bild 5 Er geht auf Distanz und sucht doch ihre Nähe. Im Zusammenhang mit der Dokumentation von Land Art Kunstwerken stellt er fest, daß die damit verbundenen Luftaufnahmen die Zentralperspektive aufheben. Ein Thema der modernen Kunst schlechthin, aber in diesem Zusammenhang ein interessanter Versuch, unsere Wahrnehmungsgewohnheiten zu überprüfen. Er reflektiert diesen Gedanken in den beiden Collagen "Klänge auf der Kippe" und "o.T." (Herrenhausen). Aus dem Chaos entsteht so etwas wie eine neue Ordnung mit eigener rhythmischer Gesetzgebung beziehungsweise eine neue Ornamentalität.
Bild 6
Volker Andresen versteht seine Objekte als skulpturale Arbeiten, deren Natureinfluß unschwer erkennbar ist, die aber doch keine Natur sein wollen. Insofern haben sie keine didaktischen Ambitionen. Der pädagogische Zeigefinger liegt höchstens im Kunstgewinn, und den zu finden, erfordert intellektuelle Einfühlung. Für Volker Andresen scheint der Weg vorgezeichnet.

Auszüge aus dem Text von: Karl Oskar Blase

zurück zum Comic

homepage Ausgang 96 --- Übersicht der Ausstellenden --- exit Ausgang 96

Gästebuch

Verantwortlich und © copyright: Projektgruppe "Ausgang 96"